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Eltern sein - Paar bleiben



"Die sicherste Methode, seine Paarbeziehung zu zerstören, ist, Kinder zu bekommen" - ich kann mich nicht erinnern, wo ich diesen Satz gelesen habe, aber als langjährige Mutter weiß ich: so provokant er klingt, da ist was dran. Auch wenn Kinder zum Glück nicht gleichzeitig zahnen, unter erstem Liebeskummer leiden oder betrunken nach Hause kommen: Kinder zu bekommen wird alles von Ihnen fordern. Es wird Sie nicht nur an ihre Grenzen bringen, sondern weit darüber hinaus. Sie werden Seiten an sich kennenlernen, von denen Sie nicht ansatzweise wussten, im Schlechten wie im Guten: Sie werden verzweifeln, sie werden bereuen - und Sie werden, wenn Sie sich dem stellen, mit Ihren Aufgaben wachsen und zu der besten Version Ihrer selbst reifen. Wenn der Tierschutzbund im Advent warnt: "Ein Haustier ist nicht nur für Weihnachten, ein Haustier ist für immer" - für Kinder gilt das doppelt und dreifach. Kinder sind lebenslang.


Ist Elternschaft also eine leichte Form des Irreseins, wie der Autor Axel Hacke es einmal so ähnlich in seinem "Kleinen Erziehungsberater" formuliert hat? Vielleicht. Manchmal. Mit Kindern zu leben ist nichts für schwache Nerven. Aber Kinder zu bekommen und großzuziehen bedeutet eben auch, das Leben in seiner intensivsten, herausforderndsten Form kennenzulernen und zu leben. Pur. Echt. Einmalig. Ohne Rückgaberecht und ohne Netz und doppelten Boden. Jeden Tag neu. Kinder ins Leben zu begleiten fühlt sich so sinnvoll an wie sonst nichts anderes. Und deshalb tun Menschen es seit Jahrtausenden und sogar auch dann immer noch, wenn moderne Verhütungsmethoden das Kinderbekommen längst zu einer Option unter vielen Lebensmöglichkeiten gemacht haben.


Und das Paarsein? Ist es wirklich so schlimm wie eingangs zitiert? Jein. Die intensive Zeit mit jüngeren Kindern ist ganz sicher nicht die Hoch-Zeit leidenschaftlicher Paar-Liebe. Es ist hilfreich und wichtig, dieser Realität von Anfang an ins Auge zu sehen, um sich selbst und seine Partnerin, seinen Partner nicht mit unerfüllbaren Rollenerwartungen zu überfordern. Ein hochfieberndes Kind pflegen oder die Tochter mitten in der Nacht abholen, weil die Party gerade eskaliert, geht nicht gleichzeitig einher mit heißen Stunden zwischen den Laken oder besinnlichen Kulturabenden. Aber: Kinder sind nicht nur "Nervensägen" und "Romantikbremsen", sondern bewirken in einer Beziehung auch eine tiefe Verbindung. Wer Kinder hat, trennt sich nicht so leicht. Kinder zu haben verschafft einer Paarbeziehung eine neue Ebene des Verwobenseins in Form der einzigartigen gemeinsamen Elternschaft dieser einzigartigen Kinder. Auch wenn es sicher nicht ausreichend ist, ausschließlich "wegen der Kinder" in einer sehr destruktiven oder belastenden Partnerschaft zu bleiben, so gibt es andererseits deutlich schlechtere Gründe dafür, sich nicht zu trennen. Kinder wollen ihre Eltern natürlich glücklich sehen, aber das vor allem gemeinsam.


Doch wie gelingt nun die Kunst, mitten im Familienwahnsinn das Paar zu bleiben (oder immer wieder zu werden), das nicht nur aus Verantwortung, Verbindlichkeit oder Angst vor Alleinsein, sondern aus Lust und Liebe, aus Freude am Miteinander und aus Wertschätzung, ja sogar Dankbarkeit und Bewunderung für den Menschen an meiner Seite zusammenbleibt und -lebt? Es gibt tatsächlich ein ganz einfaches Patentrezept, das Gelingen zwar nicht garantiert, ohne das Gelingen aber sehr unwahrscheinlich ist: Erinnern Sie sich selbst täglich daran, dass Sie auch noch Sie selbst und Teil eines Liebespaares sind. Setzen Sie gerade aus Verantwortung für Ihre Kinder Ihre Paarbeziehung innerlich an die erste Stelle in ihrem Leben, denn sie ist Herkommen, Boden und Grundlage für das Wohlergehen Ihrer Kinder. Finden Sie alltägliche Ausdrucksformen und Rituale, in denen Sie (in kurzen Momenten wenigstens) ihre Liebe als Paar zueinander aktualisieren. Seien Sie bereit zu aufrichtigen Auseinandersetzungen. Schaffen Sie regelmäßige, zuverlässige erwartbare Momente zu zweit. Zeigen Sie sich Ihre Liebe in Blicken und Umarmungen, in einem aufmunternden Lächeln über die Kinderkotze hinweg, die Sie gerade aufwischen. In Zettelchen mit Herzen, kurzen Textnachrichten und in ausgeräumten Spülmaschinen. Auch dann, wenn anderes notwendigerweise mehr Zeit einnimmt als die Pflege ihrer Paarliebe (wenn Sie Kinder haben, wird das lange der Fall sein). Ein kleiner Test: Denken Sie jetzt an den wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sollten Ihnen dabei zuerst Ihre Kinder, Ihre eigenen Eltern, Ihre Arbeitskolleginnen oder Ihre Vereinskollegen einfallen, gibt es Arbeit zu tun. Beziehungsarbeit für Ihre Liebe als Paar.


Ihre Annelie Hesse

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