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Wandlungen, Wanja oder: von der Raupe zum Schmetterling

ma-hesse-keil

Aktualisiert: 1. Aug. 2024



Es gibt Zeiten im Leben, da funktionieren die alten Gewohnheiten und Strategien nicht mehr. Eigentlich hat sich nichts verändert, aber was ich auch tue, meine Bedürfnisse und Sehnsüchte bleiben unerfüllt. Vielleicht verstärke ich sogar meine Bemühungen - jogge mehr, esse weniger, diskutiere mehr, schlafe weniger, arbeite mehr - nur um mit einem Gefühl von Erschöpfung und Leere zu enden, aber immer noch ohne das gewünschte Ergebnis.


Spätestens dann ist der Augenblick gekommen innezuhalten. Ein Sprichwort sagt: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht." Die Dinge brauchen ihre Zeit, und alles, was ich dann noch tun kann ist: loszulassen und abzuwarten. Aktiv abzuwarten, indem ich jeden Tag das tue, was es zu tun gilt. Das Leben lebe, aber ohne verkrampfte Anstrengung und Verbissenheit. Einfach in guter Selbstfürsorge, mit der Frage: Was ist mir heute wichtig? Ich lasse mich ein wenig im Fluss des Lebens treiben und übe mich im Vertrauen darauf, dass die guten Kräfte im Leben mich auch ohne Überkompensierung dahin bringen werden, wo ich als nächstes sein soll. Und dass ich im richtigen Moment wissen werde, wann die Zeit gekommen ist, zu neuen Ufern aufzubrechen.


Kennen Sie die Erzählung "Wanja" von Ottfried Preußler? "Den faulen Wanja" haben ihn seine Brüder immer genannt, denn er hat sich vor der Arbeit gedrückt, wo es nur möglich war. Ausgerechnet ihm wird von einem weisen alten Mann vorausgesagt, dass er einmal König werden würde. Nun ja, soviel heldenhafte Anstrengung scheute Wanja natürlich... Aber die Geschichte geht anders weiter als man meinen könnte. Sieben Jahre nämlich solle er nichts tun als auf dem Ofen liegen, ruhen, schlafen und, wenn er hungrig wird, Sonnenblumenkerne essen. Wanja fand das nicht schlecht - nichts tun, das konnte er. Er lässt sich auf die Sache ein und - ruht, schläft und isst. Seine Brüder toben, überlegen sogar, das ganze Haus anzuzünden, um Wanja zum Aufstehen zu zwingen. Sechs Jahre vergehen. Wanja ist größer und stärker geworden, aber noch nicht stark genug. Doch als das siebte Jahr herum ist, da steht er auf, plötzlich und ohne Zögern. Er weiß: Es ist soweit. Er geht seinen Weg, Schritt für Schritt. Er bewältigt alle Aufgaben, die ihm begegnen - und wird tatsächlich König.


Wandlung und Wachstum geschehen, und oft auf unerwartete oder wundersame Weise; das drückt diese Erzählung aus. Pflanzen und Tiere folgen diesen verborgenen innewohnenden Rhythmen ganz selbstverständlich. Ein Baum wirft seine Blätter ab und lenkt seine Energie nach innen, wenn es kalt wird. Nur wir Menschen meinen, alle Dinge in unverminderter Rasanz weiter vorantreiben zu müssen. Wir wollen die Kontrolle behalten, das Tempo bestimmen und zapfen Reserven an, bis nicht nur der Akku leer ist, sondern auch noch die Aufladestation kaputt. Veränderungen und Erneuerung können zwar eingeleitet und vorbereitet werden. Eine Raupe frisst sich dick und rund, bevor sie sich verpuppt. Doch das Wunder ihrer Wandlung passiert einfach und vollzieht sich nach Prozessen, die sich der Einflussnahme entziehen. Bis zu dem Tag, an dem die Zeit reif ist. Der Kokon bricht auf, und ans Licht kommt ein wunderschöner Schmetterling.


"Es ist das Ende", sagte die Raupe. "Es ist erst der Anfang", sagte der Schmetterling.

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